Das Kind in dir führt immer mit - Wie frühe Prägungen dein Führungsverhalten bestimmen

Weshalb (re)agieren wir in manchen Führungssituationen völlig anders als gewollt? Hinterher ärgern wir uns über uns selbst. Als würde ein Autopilot die Kontrolle über uns übernehmen. In der Psychologie ist er als unser Inneres Kind bekannt. Wie gut kennst du deines? Lies hier darüber, wie dich deine frühen Prägungen beeinflussen und wie du das auch heute noch verändern kannst.

Das Kind in dir führt immer mit

Wie gut kennst du eigentlich deine Autopiloten? Ich meine damit diese autonomen Reaktionsweisen, die sich anfühlen, als würde manchmal jemand anderes das Ruder in dir übernehmen. Bei anderen nimmt man das ja meistens noch besser wahr. Also wenn der sonst so souveräne Manager plötzlich patzig wird, cholerisch reagiert oder bei Kritik sofort einlenkt usw.

Ich hatte mal einen Kollegen, dessen Auftreten mir gegenüber mein Inneres Kind regelmäßig die Rage gebracht hat. Es war als ob sich mein Inneres laufend gegen seinen vermeintlichen Ungehorsam empören musste – während der Meetings, aber auch nachts, und morgens unter der Dusche.
Was geht da in uns ab?

Die Neurobiologie zeigt uns heute eindeutig: In solchen Triggermomenten reagiert unser autonomes Nervensystem nach uralten Mustern – programmiert in frühkindlicher Zeit. Tatsächlich wie ein Autopilot.

Im folgenden erfährst du:

  • Weshalb dein Inneres Kind manchmal die Führung übernimmt
  • Wie du diese verborgenen Dynamiken erkennst
  • Was du tun kannst, um auch in kritischen Momenten souveräner zu bleiben

Das Innere Kind. Ein nützliches Psychologie-Modell auch fürs Business.

Beim Konzept des Inneren Kindes handelt es sich um ein etabliertes Modell der Persönlichkeitspsychologie. In unserer frühen Entwicklung, gerade bis zum 3. Lebensjahr, bilden sich grundlegende emotionale Verhaltensmuster heraus. Diese entstehen als Antwort auf unsere Erfahrungen mit wichtigen Bezugspersonen und prägen sich tief in unser implizites Gedächtnis ein. Sie werden zu einer Art emotionalem Referenzrahmen, der lebenslang wirken kann. 

Die Neurobiologie bestätigt mittlerweile: Diese frühen Prägungen sind in unserem autonomen Nervensystem und Teilen des Gehirns neuronal verankert. Bei Stress werden sie blitzschnell aktiviert – schneller als unser Großhirn „Selbstreflexion“ denken kann. 

Besonders deutlich wird dieses Phänomen in Beziehungssituationen – und Führung ist im Kern nichts anderes als komplexe Beziehungsarbeit.

Typische Autopiloten in der Führungsrolle:

  1. Emotionale Überreaktionen
    Plötzliche Wutausbrüche oder extreme Angst, die eigentlich nicht zur Situation passen.
  2. Gefühl von Ohnmacht und Kontrollverlust 
    Lähmende Ohnmacht, Rückzug oder Handlungsunfähigkeit, als seien wir in einer Opferrolle gefangen.
  3. Starke Suche nach Bestätigung
    Die übermäßige Suche nach Anerkennung bei gleichzeitiger Unsicherheit.
  4. People Pleasing
    Der starke Drang, es allen rechtzumachen, Ja-Sagen, auch wenn der Kopf „Nein“ schreit und everybody’s darling sein wollen.
  5. Perfektionismus und Angst vor Fehlern
    Zwanghaftes Absichern, Angst vor Loslassen, ständige Kontrolle, nie zufrieden sein.

Und und und…

Der Preis unbewusster Führung

Persönlich: Durch diese Kompensationsstrategien untergräbst du deine eigentlichen Bedürfnisse – das kostet nicht nur Energie, sondern kann langfristig auch die Gesundheit belasten. 

Team: Dein Team leidet unter der Unberechenbarkeit deiner Reaktionen und zieht sich zurück oder geht in den Widerstand. Ein solches Team ist nicht in seiner Leistungsfähigkeit.

Unternehmen: Schleichender Produktivitätsverlust, höhere Fluktuation und eine Kultur, in der Innovation kaum gedeihen kann.

Die eigenen Autopiloten erkennen

Der erste und wichtigste Schritt zur Veränderung ist das Training der Selbstwahrnehmung – dabei helfen dir drei zentrale Zugänge: 

  1. Dein Körper-Dashboard
    Achte auf körperliche Signale in herausfordernden Situationen: Feuchte Hände? Angespannter Nacken? Dein Körper sendet dir verlässliche Signale. Notiere dir Symptom und Situation.
  2. Deine Verhaltensmuster
    Wann reagierst du immer wieder gleich, obwohl du es eigentlich anders willst? Dies sind die Fingerabdrücke deines inneren Kindes. Führe dazu Tagebuch oder reflektiere abends aktiv deinen Tag.
  3. Ehrliches Feedback
    Such dir Menschen, denen du vertraust und die dir bewusst Rückmeldung zu deinem Verhalten geben. Reflektiere mit deinen Sparringspartnern darüber.

Von der Erkenntnis zur Veränderung

Zwei Wahrheiten vorweg:

  1. Hinschauen kostet Überwindung – ist aber der einzige Weg.
  2. Es gibt keine Quick-Fixes für jahrzehntealte Muster

Bei vielen ist es daher leider erst eine Krise, die uns zwingt, wirklich hinzuschauen.

Und vielleicht hilft diese moderne Perspektive: Bei allen Mustern handelt es sich um handfeste neurobiologische Prozesse. Das nimmt vielleicht die Angst vor der „Couch“ beim Psychiater.

Psychoedukation

Verstehen durch Psychoedukation

Der erste Schritt ist, die Mechanismen zu verstehen. Wie funktioniert unser Nervensystem? Warum reagieren wir, wie wir reagieren? Dieses Wissen findest du heute in vielen gut aufbereiteten Formaten – von Podcasts bis Fachliteratur.

Die Kraft der Neuroplastizität

Gute Nachricht: Unser Gehirn ist bis ins hohe Alter formbar. Unsere frühen Muster sind zwar wie eingebrannte Programme im Nervensystem gespeichert. Aber dank der sogenannten Neuroplastizität können wir neue, gesündere Muster etablieren.

Das Bedürfnis nach Sicherheit befriedigen

Als Kinder ging es immer ums emotionale Überleben. Wir waren auf unsere Bezugspersonen angewiesen, unser Nervensystem ist auf Verbundenheit programmiert. Viele unserer alten Schutzmechanismen sind also Ersatzstrategien, um mit fehlender Bindung und Sicherheit klarzukommen.

Neue Sicherheit aufbauen

Heute können wir diese alten Muster durch echte Erfahrungen von Sicherheit ersetzen. Das geschieht zum Beispiel, wenn wir mit Verständnis auf unsere Emotionen reagieren. Oder wenn wir uns in der Zusammenarbeit mit einem Coach oder Sparringspartner sicher fühlen, wenn alte Emotionen hochkommen.

Das Ziel? Je mehr Sicherheit deine frühen Anteile heute spüren, desto weniger müssen sie sich einmischen. Am Ende steht ein erwachsenes Ich, das seinem inneren Kind vermitteln kann: „Du bist sicher, ich kümmere mich um den Rest.“

Die Perspektive: Authentisch und gesund führen

Stell dir vor, dein erwachsenes Ich und dein Inneres Kind arbeiten als Team: Du reagierst souveräner in Stresssituationen, führst mit natürlicher Autorität und deine Beziehungen – beruflich wie privat – werden klarer. Dein Team, deine Gesundheit, deine Familie werden es dir danken!

Mein persönlicher Tipp:
Geh diesen Weg nicht allein. Hol dir professionelle Begleitung. Selbstlernkurse sind ein guter Start – aber echte Entwicklung braucht echte Beziehung.

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