Führung, wie Menschen sie (biologisch gesehen) brauchen

von | 09.01.25 | Führung, Neurobiologie

Warum verpuffen Führungstrainings oft schon am nächsten Tag? Weshalb fällt es so schwer, Führungsmethoden in die Praxis umzusetzen? Die Antwort liegt in unserem Nervensystem, das auch im Business noch wie in der Steinzeit funktioniert – ein faszinierender Einblick in die Neurobiologie erfolgreicher Führung. Erfahre, wie du diese Erkenntnisse für dich und dein Team nutzen kannst.

Führung, wie unsere Biologie sie braucht

Warum werden menschliche Bedürfnisse im Job meist ignoriert? Da sitzen eine Menge Menschen den ganzen Tag beieinander und spielen ein großes Schauspiel. Gefühle, Offenheit, Bedürfnisse? – Fehlanzeige. Stattdessen Politik, Taktik, erwünschtes Verhalten.

Seit der Industrialisierung gibt es die Idee vom „funktionierenden“ Menschen. Die BWL hat uns beigebracht, Unternehmen als rationale Systeme zu sehen, in denen Menschen ihre Funktionen erfüllen. Unter der professionellen Oberfläche arbeitet jedoch bei jedem von uns ein hochkomplexes Nervensystem. Es reagiert nach uralten Mustern auf Signale von Sicherheit oder Gefahr – völlig unabhängig davon, ob wir gerade eine wichtige Präsentation halten oder ein Teammeeting leiten. Wir sind Mensch, in jeder Sekunde.

Wenn du verstehen willst, warum Führungskonzepte und Methoden so oft scheitern und wie du stattdessen eine Atmosphäre schaffst, in der Menschen ihr volles Potenzial entfalten, dann lies weiter. Die Neurowissenschaft zeigt uns den Weg zu einer Führung, die sowohl menschlich als auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Und gesund für dich obendrein!

Unser Nervensystem – Der verborgene Manager

Stell dir vor, in dir sitzt ein hochsensibler Chief Operating Officer. 24/7 scannt er deine Umgebung nach möglichen Gefahren. Ist der Blick deines Kunden heute kritisch? Könnte das Meeting schwierig werden? Wie reagieren die Kollegen auf deinen Vorschlag?

Dieser innere Manager ist dein Autonomes Nervensystem (ANS). Je nachdem wie das ANS deine Umgebung einschätzt, werden Nervengeflechte wie Sympathikus oder Parasympathikus aktiv. Es werden Hormone, Organe oder Muskeln aktiviert oder deaktiviert. Wir unterscheiden dabei drei grundlegende Zustände:

  1. Fühlst du dich sicher, bist du im „Safe & Flow“-Modus: Hier bist du entspannt, kreativ und leistungsfähig. Du kannst klar denken und gut mit anderen zusammenarbeiten. Dein Nervensystem signalisiert: Alles in Ordnung, du kannst dich öffnen. Das erleben Teams, die wie von selbst funktionieren: Hier wird offen diskutiert, konstruktiv gestritten und gemeinsam gelacht.
  2. Nimmt dein ANS jedoch Gefahr wahr, schaltet es blitzschnell in „Fight & Flight“: Stress macht sich breit, du wirst unruhig, kontrollierend oder überkritisch. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Führungskraft, die in Meetings ständig das Wort führt, andere unterbricht und auf ihrer Meinung beharrt. Ihr Nervensystem ist im Verteidigungsmodus, auch wenn objektiv keine Bedrohung vorliegt.
  3. Wird der Druck zu groß, kann dein System in „Freeze & Fawn“ wechseln: Hier schaltest du innerlich ab, wirst passiv oder stimmst allem zu, ohne wirklich dabei zu sein. So wie die Mitarbeiterin, die in Projektbesprechungen kaum Stellung bezieht – selbst wenn sie inhaltlich anderer Meinung ist. Ihr System ist erstarrt und angepasst, weil frühere Erfahrungen ihr gezeigt haben, dass dies der „sicherste“ Weg ist.

Das Besondere: Diese Reaktionen laufen völlig automatisch ab. Denn das Nervensystem will unser Überleben sichern. Dein rationales Denken hat darauf zunächst keinen Einfluss. Der evolutionäre Sinn ist: Uns schnell in Sicherheit zu bringen!

Was bedeutet das für dich als Führungskraft?

  1. Der Mensch funktioniert auch im Business nach seinen biologischen Grundmustern. Methoden, Rollen oder Prozesse können noch so gut durchdacht sein – wenn sie die neurobiologischen Bedürfnisse der Menschen ignorieren, werden sie scheitern.
  2. Die Reaktionen deiner Mitarbeitenden sind keine bewussten Entscheidungen. Wenn jemand in Meetings schweigt oder überkritisch wird, stecken neurologische Schutzmechanismen dahinter.
  3. Echte Leistungsfähigkeit entsteht nur im Safe & Flow. Nur wenn sich Menschen neurologisch sicher fühlen, können sie ihr volles Potenzial entfalten.

Der evolutionäre Code: Verbundenheit als Schlüssel erfolgreicher Teams

Stell dir vor, du wärst vor 100.000 Jahren allein in der Savanne unterwegs. Deine Überlebenschancen? Gleich null. Der Mensch konnte nur in der Gruppe überleben – geschützt, unterstützt und verbunden mit anderen.

Zudem werden wir als hilflose Wesen geboren. Unser Gehirn entwickelt sich erst nach der Geburt vollständig – und zwar im ständigen Austausch mit unseren Bezugspersonen und deren Schutz. So verfestigt unser Nervensystem die Information der DNA, dass Sicherheit durch Verbundenheit mit anderen entsteht. Diese evolutionäre Logik steckt lebenslang tief in unserem Nervensystem.

Unser soziales Nervensystem ist deshalb darauf spezialisiert, feinste Signale von Sicherheit oder Gefahr in zwischenmenschlichen Beziehungen wahrzunehmen. Ein freundlicher Blick, eine warme Stimme, echtes Interesse – solche Zeichen sicherer Verbundenheit lassen unser System innerlich aufatmen.

Fehlt diese Verbundenheit, reagiert unser Nervensystem mit seinen Schutzprogrammen: Kampf, Flucht oder Erstarrung auf mögliche Gefahren. Das erklärt, warum auch im Business zwischenmenschliche Spannungen so viel Energie kosten. Dein Nervensystem reagiert auf einen kritischen Blick deines Chefs wie einst auf einen Säbelzahntiger – du fühlst dich bedroht und alleine.

Wie alte Muster dein Führungsverhalten prägen.

In welchen Zuständen bist du meist unterwegs? Vielleicht kontrollierst du dein Team mehr als nötig, obwohl du eigentlich an Eigenverantwortung glaubst. Oder du vermeidest wichtige Kritikgespräche, weil dir Harmonie wichtiger erscheint?

Der Grund liegt in deiner persönlichen Geschichte: Frühkindliche Erfahrungen prägen die Wahrnehmung des Nervensystems ganz individuell, abhängig davon wie du Verbundenheit erlernt hast. Musstest du lernen, dass Kontrolle Sicherheit bedeutet? Dann aktiviert dein System im Führungskontext schnell den Fight & Flight-Modus. Hast du erfahren, dass offene Worte Beziehungen gefährden? Dann geht dein System bei Spannungen automatisch in Freeze & Fawn.

Dein rationales Großhirn sucht dazu passende Erklärungen, auch wenn diese nicht stimmen: „Ohne meine Kontrolle würde ja nichts funktionieren“ oder „Für ehrliche Kritik ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt.“

Diese Führungsmuster sind keine Charakterschwäche, sondern neurobiologische Realität. Sie zeigen sich besonders dann, wenn du unter Druck stehst oder wichtige Entscheidungen treffen musst. Das Gute daran: Wenn du deine persönlichen Trigger verstehst, kannst du neue, gesündere Führungswege entwickeln.

Verbundenheit als Schlüssel erfolgreicher Führung.

Verstehe also dich und dein Team als Menschen, die neurologisch nach Sicherheit durch Verbundenheit suchen. Diese Erkenntnis verändert alles: Führung bedeutet nicht, Prozesse zu optimieren oder Leistung zu kontrollieren. Führung bedeutet, einen Rahmen zu schaffen, in dem Menschen sich sicher genug fühlen, um ihr volles Potenzial zu entfalten.

Der Weg dahin beginnt bei dir selbst. Als Führungskraft musst du deine eigenen Verbundenheitsmuster kennen und darfst an ihnen arbeiten. Welche Situationen triggern dich? Wo gehst du in Fight & Flight oder Freeze & Fawn? Wenn du deine neurobiologischen Reaktionen verstehst und durch neue Erfahrungen von Sicherheit überschreibst, kommt erstens dein gesamtes Leben in eine andere Energie. Und zweitens kannst du andere besser dabei unterstützen. Schau dazu gerne auch in den Artikel „Persönlichkeitsentwicklung – so kann’s gehen.“

Deine Aufgabe als neue Führungskraft ist also, eine Kultur echter Verbundenheit im Team zu etablieren. Das geht zum Beispiel durch:

  • Regelmäßige Check-ins, wo Gefühle und Bedürfnisse Platz haben
  • Klare Teamvereinbarungen für den Umgang miteinander
  • Routinen für konstruktives Feedback in alle Richtungen
  • Aktives Vorleben, dass Fehler und Schwächen okay sind
  • Gemeinsame Reflexionsräume für emotionale Themen

Die Forschung zeigt: Teams, die diese sichere Verbundenheit erleben, sind nicht nur innovativer und leistungsfähiger – sie sind auch gesünder und zufriedener.

Dein persönlicher Gewinn: Gesünder führen, gesünder leben

Der neurologische Ansatz in der Führung hat einen wunderbaren Nebeneffekt: Was gut für dein Team ist, ist auch gut für dich. Indem du an deinen eigenen Mustern arbeitest und sichere Verbundenheit etablierst, regulierst du auch dein eigenes Nervensystem.

Das Ergebnis? Mehr in der Balance, weniger Stress, besserer Schlaf, mehr Energie. Du führst authentischer, weil du nicht mehr gegen deine neurobiologischen Bedürfnisse ankämpfst, sondern sie verstehst und berücksichtigst.

Fazit: Dein Weg zu neurobiologisch intelligenter Führung

Menschen funktionieren nach biologischen Prinzipien – auch im Business. Unser Nervensystem sucht ständig nach sicherer Verbundenheit. Ignorieren wir das, verschwenden wir wertvolle Energie in Kampf-, Flucht- oder Erstarrungszuständen.

Der erste Schritt zu besserer Führung? Beobachte morgen bewusst die neurologischen Zustände in deinem Team – und bei dir selbst. Wo siehst du Fight & Flight, wo Freeze & Fawn? In welchen Momenten erlebt ihr Safe & Flow?

Möchtest du tiefer einsteigen und deine neurologischen Führungskompetenzen entwickeln? In meinen Angeboten findest du das richtige für dich, um deine persönlichen Muster aufzulösen und eine Kultur sicherer Verbundenheit zu schaffen.

Die Zukunft gehört den Führungskräften, die verstehen, wie Menschen wirklich ticken.

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